Sport ohne Kohlenhydrate?

Für mich als Praktiker undenkbar. Aber auch theoretisch undenkbar, wenn es um Hochleistungssport geht. Um anaerobe Zustände. Und dennoch – dennoch ist mein fester Gaube ins Wanken gekommen.

Sportler brauchen Nudelpartys. Sie leben von Kohlenhydraten. Lange Zeit war dies unangefochtene Lehrmeinung. Stimmt ja auch – für den 100m Läufer, für den Sprinter. Gilt auch immer noch in der üblichen Sportmedizin.

Nur im Ausdauersport hat sich etwas geändert. Da einigt man sich so ganz langsam – langer Rede kurzer Sinn – auf die Zweiteilung „Train low carb, Compete high carb“ – also Training ohne oder fast ohne Kohlenhydrate, aber beim Wettkampf dann so richtig reinhauen. So der moderne Marathon-Läufer, so der moderne Triathlet.

 

Wenn das nur schon rein rechnerisch nicht so völlig daneben läge. Jan Frodeno zum Beispiel, ein deutscher Ultratriathlet, kann auf der Strecke gar nicht so viel Kohlenhydrate nachtanken, wie er tatsächlich verbraucht. Was dann?

Hier kommen zwei Entdeckungen ins Spiel:

  • Ein no carb trainierter Ausdauerathlet verbrennt Zucker – besonders wenn er ihn sich zuführt – sehr viel langsamer als der kohlenhydrat-gewohnte Athlet. Er kommt also mit Minimalmengen sehr viel länger aus. Er kann so seinen Endspurt mit nur ein paar Schluck Cola zur rechten Zeit planen.
  • Und dann die Schlittenhunde. Laut „Lehrbuch der Biochemie“ von Voet dem Menschen gleichzusetzen. Schlittenhunde haben sich auch unter Ausdauerbelastung, die über mehrere Tage ging, ihre Glykogenvorräte in den Muskeln wieder aufgefüllt. So, als ob sie reichlich Kohlenhydrate gegessen hätten.

Das war die eigentliche Entdeckung! Menschen, die praktisch keine Kohlenhydrate essen, haben sehr wohl Glykogenvorräte in der Muskulatur. Und wo kommen diese geheimnisvollen Kohlenhydrate, die nicht oder fast nicht gegessen werden, her? Antwort: Es geht nichts verloren in der Natur. Die Lösung bietet der Cori-Zyklus.

„Das Leber-ATP (also Energie) wird zur Neusynthese von Glukose aus Laktat verwendet, das im Muskel erzeugt wurde. Die neusynthetisierte Glukose gelangt wieder in den Muskel, wo sie als Glykogen gespeichert oder sofort wieder zur Erzeugung von ATP (also Energie) für die Muskelkontraktion abgebaut werden kann.“

Wer das verstanden hat, hat sich verstanden. Auch praktisch ohne Kohlenhydrate beim Hochleistungssport. Der Engpass bei diesem Zyklus, bei dem Zucker immer wieder neu auf- und eingebaut wird, heißt Sauerstoff.

Sauerstoff

Wettkämpfer brauchen Sauerstoffüberschuss. Sie müssen also im 10 Stunden-Wettkampf immer mal wieder eine halbe Stunde unterhalb der Schwelle laufen, ein bisschen Luft schnappen und könnten in dieser Zeit wieder Zucker in den Muskel einbauen und dann wieder Gas geben.

So hab ich das verstanden. Dabei habe ich mir immer gedacht „verbrannt ist verbrannt“. Was ich an Kohlenhydraten bei hoher Geschwindigkeit verbraucht habe, das ist weg. Von einem körpereigenen Zuckeraufbau hätte ich höchstens geträumt. Ist unser Körper nicht ein herrliches Instrument? Sollten wir uns nicht alle gemeinsam bemühen, ein bisschen mehr Respekt für ihn aufzubringen? Ist er nicht ein Wunder? Doch, eigentlich schon.

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